
Arbeitskreis Politische Bildung
Vergangenheit - Zukunft e.V.
Zu unserer Geschichte
Im Dezember 1989, unmittelbar nach dem Fall der Mauer, wurde der
Arbeitskreis Politische Bildung Vergangenheit – Zukunft e.V.
in Berlin-Reinickendorf gegründet. Mit seiner Gründung nahm der Arbeitskreis Verantwortung auf, die weit über das persönliche Engagement hinausging: Die Förderung der Völkerverständigung.
Der Verein organisiert Begegnungen an Gedenkstätten nationalsozialistischer Verbrechen und vermittelt historische Bildung über Generationen hinweg.
Insbesondere die Pflege von Kontakten zu den überlebenden Frauen und Kindern von Lidice ist eine Aufgabe, die er mit großem Einsatz und Leidenschaft verfolgt.

Bilanz eines Verbrechens
Als Racheakt für das Attentat auf den Reichsprotektor für Böhmen und Mähren,
Reinhard Heydrich, wurde das Dorf Lidice am Morgen des 10. Juni 1942 von den
Nationalsozialisten überfallen. Im Ort lebten zu dieser Zeit
- 192 Männer,
- 203 Frauen und
- 98 Kinder
Weitere 7 Kinder wurden bis Ende 1942 geboren.
Alle männlichen Bewohner über 15 Jahren wurden ohne Anklage erschossen. Die Frauen brachte man mit ihren Kindern in eine Turnhalle des Gymnasiums in Kladno. Dort wurden die Mütter nach drei Tagen gewaltsam von ihren Kindern getrennt.
Die Frauen verschleppte man in das Konzentrationslager Ravensbrück. Die Kinder wurden bis auf wenige, die zur "Eindeutschung" vorgesehen waren, im polnischen Chelmno während eines Transports mit Autoabgasen ermordet.
Unser Weg
Nach dem Zweiten Weltkrieg widmete sich der sozialdemokratische Widerstandskämpfer Ernst Froebel mit schier unermüdlichem Einsatz der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus. Bereits in den 60iger Jahren reiste er mit zahlreichen Jugendlichen nach Lidice, einem Ort, der in der Geschichte als Mahnmal des Unrechts steht.
1984 brachte er gemeinsam mit Freunden aus der sozialdemokratischen Partei Deutschlands die ersten 50 Rosenstöcke aus dem Westteil Berlins zur Gedenkstätte. Jeder Teilnehmende pflanzte seine Rose selbst ein als Zeichen der Verbundenheit und als Bekenntnis zu Lidice, dem Symbol für das Leid einer ganzen Generation. Es war mehr als eine Reise – es war eine Mission der Versöhnung und der Erinnerung.
Für dieses herausragende Engagement erhielt Ernst Froebel im Mai 1994 das Bundesverdienstkreuz. Wenige Wochen später, im Juni 1994, wurde Froebel von der Gemeinde Lidice zum Ehrenbürger ernannt. Beide Auszeichnungen nahm er nicht nur für sich entgegen, sondern als Symbol für den gesamten Arbeitskreis und dessen kollektiver Mission. Die Ehrenbürgerschaft von Lidice war für ihn die bedeutendste persönliche Auszeichnung und ein Ausdruck der tiefen Anerkennung seines Lebenswerkes im Dienste der Erinnerung und Versöhnung.
1995 wurde auf Froebels Initiative am Rathaus Reinickendorf neben der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus und von Gewaltherrschaft ein Rosenbeet mit 50 Rosenstöcken aus Lidice eingeweiht. Eine Bronzetafel erinnert dort an die Worte Thomas Manns:
"Deutsche, ihr sollt es wissen. Entsetzen, Scham und Reue ist das Erste, was Not tut."
Diese Worte tragen das Vermächtnis einer Generation, die sich der dunklen Vergangenheit stellte, um die Zukunft mit Frieden und Verständnis zu gestalten.


Veröffentlichung aus Anlass
35 Jahre Arbeitskreis Politische Bildung
Vergangenheit – Zukunft e.V. 1989 - 2024
im August 2024
Am 21. Dezember 1989, also unmittelbar nach dem Fall der Mauer, trafen sich in Berlin-Reinickendorf zwei Frauen und sechs Männer, um einen Verein zu gründen, der mögliche Kontakte zu den Menschen in Tschechien und im Besonderen im Ort Lidice zu seiner Aufgabe machen sollte. Angeführt von unserem Gründer Ernst Froebel hoben sie den Arbeitskreis aus der Taufe und gaben sich eine Satzung.
In § 3 dieser Satzung steht seit der Vereinsgründung: Der Verein verfolgt das Ziel, einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten. Hierzu werden satzungsgemäß Mittel aufgewendet, um in Mahn- und Gedenkstätten nationalsozialistischer Verfolgung Begegnungen zu veranstalten und um Angehörigen aller Generationen historische Informationen der jüngeren deutschen Geschichte zu vermitteln.
Diesem Auftrag ist der Arbeitskreis in all den Jahren seines Bestehens intensiv nachgegangen. Die Kontakte nach Lidice haben bei mehreren Beteiligten zu freundschaftlichen Beziehungen geführt, der wohl besten Form von Völkerverständigung.
Und die vielen Jugendlichen, die mit dem Arbeitskreis die vielen Fahrten nach Lidice mitgemacht haben, sind der beste Beleg dafür, wie ernst der Arbeitskreis den Auftrag seiner Satzung nimmt: Angehörige aller Generationen.
Aber nicht nur Tschechien und Lidice waren Ziel der Aktivitäten des Arbeitskreises. Im Herbst des Jahres 2011 fuhr eine Gruppe von 21 Personen nach Frankreich in die Stadt Oradour-sur-Glane, einem Ort, dem die Truppen der Nationalsozialisten ein ähnliches Schicksal wie Lidice zugefügt hatten. Am 10. Juni 1944 wurde der Ort komplett zerstört, 642 Menschen wurden getötet, darunter 207 Kinder.
Im Herbst des Jahres 2014 fuhr eine Gruppe von 19 Vereinsmitgliedern nach Sant'Anna di Stazzema in Italien. Auch hier wüteten die deutschen Truppen mit der Begründung "Vergeltung" rücksichtslos. Am 12. August 1944 wurden 560 Menschen getötet, davon 130 Kinder.
Neben Lidice zwei weitere Beispiele dafür, warum das Wirken des Arbeitskreises für die Völkerverständigung und die Erinnerungskultur so wichtig ist. Und es gibt noch viele andere Beispiele in ganz Europa für den Wahnsinn, den das damalige Deutschland angerichtet hat.
Unsere Kontakte nach Lidice
Nach dem Fall der Mauer und damit dem Wegfall der Reisebehinderungen konnten unsere Kontakte zu den Frauen und Kindern in Lidice auf eine neue Ebene gestellt werden. Wechselseitige Besuche waren ab diesem Zeitpunkt problemlos möglich.
Im Mai 1990 kamen das erste Mal die Frauen und Kinder aus Lidice nach Berlin zu uns in den Bezirk Reinickendorf. Der damalige Bezirksbürgermeister Detlef Dzembritzki war von Anfang an als Unterstützer an unserer Seite, unsere Gäste wohnten auf Einladung des Bezirks im Fuchsbau.
Alle Gäste wurden am ersten Tag nach dem Frühstück jeweils von einem Mitglied des Arbeitskreises abgeholt und einen Tag lang bis zum frühen Abend im privaten Umfeld betreut. So hatte jede und jeder unserer Gäste an diesem Tag ein individuelles Berlinprogramm und eine individuelle Versorgung beim Mittagessen und Kaffeetrinken.
In jedem Jahr findet um den 10. Juni herum in Lidice eine Gedenkveranstaltung statt, an der der Arbeitskreis regelmäßig mit einer großen Gruppe teilnimmt. Von Anfang an hat der Arbeitskreis bei diesen Fahrten Schülerinnen und Schüler unserer Partnerschulen überwiegend auf Kosten des Arbeitskreises mitgenommen. Von Beginn an ist das Europ. Gymnasium Bertha von Suttner dabei, zunächst auch die Gustav-Freitag-Schule. Dazu kamen später die Paul-Löbe-Schule, das Neue Gymnasium in Glienicke-Nordbahn und zeitanteilig der Campus-Hannah-Höch.
Im Laufe der Jahre hat der Arbeitskreis bei diesen Fahrten schon mehr als 670 Schülerinnen und Schüler mit nach Lidice genommen, um ihnen vor Ort einen autentischen Eindruck zu vermitteln, was im Namen des damaligen Deutschland dort angerichtet wurde. Leider stehen uns bei den Besuchen in Lidice keine Zeitzeugen mehr für Gespräche zur Verügung, der wohl intensivsten Form der Vermittlung von Wissen über die Zeitepoche, denn die Frauen, die das KZ Ravensbrück überlebt haben und nach Lidice zurückgekehrt waren, sind inzwischen alle verstorben.


